Christina Reuter studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Maschinenbau an der RWTH Aachen und absolvierte den Masterstudiengang Industrial Engineering an der Tsinghua University in Peking. Anschließend promovierte sie am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen, wo sie von 2014 bis 2016 als Oberingenieurin und Abteilungsleiterin für Produktionsmanagement tätig war. 2017 wechselte sie in die Industrie zu Airbus Defence and Space in Ottobrunn. Zuletzt hatte sie die Position des Head of Sites Development inne. Im Jahr 2025 folgte sie dem Ruf an die Technische Universität München, wo sie seither als Professorin für Nachhaltige Produktionssysteme tätig ist und gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Daub und Prof. Dr.-Ing. Michael F. Zäh das Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) leitet. In ihrer Forschung konzentriert sich Prof. Reuter auf nachhaltige Produktionssysteme und Produktionsmanagement.
Wie sind Sie zu der Person geworden, die Sie heute sind?
Ich war schon immer eine sehr wissbegierige Person – diese Neugier begleitet mich seit jeher und prägt mein Denken und Handeln bis heute. Mein Antrieb ist es, ständig Neues zu lernen, Wissen zu vertiefen und mit Ambition und Gestaltungswillen einen echten Mehrwert zu schaffen. Als Erste in meiner Familie, die einen akademischen Weg eingeschlagen hat, war es eine Mischung aus naturwissenschaftlicher Neugier, persönlicher Leidenschaft und glücklichen Fügungen, die mich dorthin geführt hat, wo ich heute bin: als Professorin für Nachhaltige Produktionssysteme an der Technischen Universität München.
Den Grundstein legten mein Studium und meine Promotion an der RWTH Aachen University. Besonders prägend war mein Auslandsjahr an der Tsinghua University in Peking – es eröffnete mir nicht nur eine internationale Perspektive, sondern schärfte auch mein Bewusstsein für globale Herausforderungen in der Industrie. Während meiner Promotion, in einer Zeit, in der Industrie 4.0 gerade an Fahrt aufnahm, arbeitete ich praxisnah an der Schnittstelle von Forschung und Anwendung. In Aachen durfte ich eine physische Demonstrationsfabrik mitaufbauen, in der wir gemeinsam mit Partnern zukunftsweisende industrielle Lösungen entwickelten – eine Erfahrung, die mein Verständnis für die Verbindung von Theorie und Praxis nachhaltig geprägt hat.
Nach der Promotion konnte ich meine Expertise in verschiedenen Führungsrollen bei Airbus weiterentwickeln – insbesondere die internationale Zusammenarbeit empfand ich als bereichernd. Diese Zeit hat nicht nur meine technischen, sondern auch meine interkulturellen Kompetenzen entscheidend erweitert.
Ich bin mir sehr bewusst, dass Erfolg auf verschiedenen Säulen ruht. Eine wichtige Stütze in meinem Leben ist meine Familie, die mich in allem, was ich tue, unterstützt und mir gleichzeitig die Energie gibt, um meine Ziele zu verfolgen.
Was wird Ihr erstes Forschungsprojekt an der TUM?
Im Zentrum meiner Forschung steht die Entwicklung nachhaltiger und resilienter Produktionssysteme. Mein Schwerpunkt liegt dabei auf den Bereichen Produktionsmanagement und industrielle Kreislaufwirtschaft. Mithilfe datengetriebener Methoden – insbesondere durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz – arbeite ich daran, Produktionssysteme besser zu verstehen, zu planen und zu steuern. Besonders reizvoll ist für mich die interdisziplinäre Zusammenarbeit – sowohl über Lehrstuhlgrenzen hinweg als auch mit Partnern aus der Industrie. Denn ich bin überzeugt: Nur wenn wissenschaftliche Exzellenz und industrielle Relevanz zusammenkommen, können wir Produktionssysteme gestalten, die langfristig tragfähig, resilient und zukunftsfähig sind.
Auf welche Veränderung hoffen Sie in der Zukunft?
Ich möchte nicht auf Veränderungen hoffen, sondern diese aktiv gestalten. Die größte Herausforderung unserer Zeit ist die Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstils – verstanden in seiner ganzen Dimension: ökonomisch, ökologisch und sozial. Unser generelles Ziel muss es sein, Systeme zu etablieren, die fair sind und Wohlstand im Einklang mit den planetaren Grenzen ermöglichen.
Am Lehrstuhl für Nachhaltige Produktionssysteme beschäftigen wir uns mit der zentralen Frage, wie industrielle Produktionsprozesse so gestaltet werden können, dass sie langfristig zukunftsfähig sind und eine nachhaltige Transformation der Industrie ermöglichen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Entwicklung kreislauffähiger Wertschöpfungssysteme. Diese eröffnen Unternehmen nicht nur die Möglichkeit, Produktlebenszyklen gezielt zu verlängern, sondern – bei richtiger Umsetzung – auch margenträchtige neue Geschäftsmodelle zu erschließen. Ein wesentlicher Hebel für diesen Wandel liegt darin, das vermeintliche Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Ökologie aufzulösen. Nur wenn wir beide Aspekte ganzheitlich und miteinander verknüpft denken, lässt sich eine nachhaltige industrielle Wertschöpfung realisieren – und echter, wirksamer Wandel gestalten. Ich sehe darin eine große Chance für Deutschland, sich als Vorreiter nachhaltiger Technologien zu etablieren – mit Lösungen, die klimafreundlich, wirtschaftlich tragfähig und global skalierbar sind.