Während die oberflächennahe Geothermie einzelne Gebäude in Kombination mit Wärmepumpen versorgt, kann die Wärme aus dem tieferen Untergrund direkt in Fernwärmenetze eingespeist werden. Die Tiefengeothermie kann so ganze Stadtviertel mit Wärme versorgen. 42 Tiefengeothermie-Standorte existieren in Deutschland. Bis zum Jahr 2030 sollen weitere 100 Projekte ans Netz gehen. Mithilfe dieser Technologie soll in Zukunft ein großer Teil des deutschen Wärmebedarfs gedeckt werden. Auf dem Weg dahin müssen allerdings einige Hürden überwunden werden.
ED: Worum geht es in Ihren Forschungsvorhaben?
Prof. Michael Drews: Obwohl die Tiefengeothermie prinzipiell einem einfachen Konzept folgt, ist die Umsetzung komplex und erfordert gleichermaßen ein breites Spektrum an Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftlern, Ingenieurinnen und Ingenieuren. In der Geothermie-Allianz Bayern werden diese Kompetenzen durch die Zusammenarbeit verschiedener Fachgebiete, Lehrstühle und Universitäten gebündelt. Mein Arbeitsfeld konzentriert sich auf das Potenzial und die Optimierung der Tiefengeothermie, also wie können wir sicher, nachhaltig und effizient die Erdwärme aus Tiefen von bis zu sechs Kilometern nutzen.
In unserer Forschung dreht sich dabei alles um die Themen, die untertägig eine Rolle spielen, also um das „Geo“ in der Geothermie. Wir adressieren Tektonik und Geomechanik, Sedimentologie und Geophysik, Gesteinsphysik und Bohrtechnik: Das Wissen um die geologischen Begebenheiten des zu erschließenden Untergrunds ist dabei immens wichtig. An welche Stelle und durch welche Gesteinsschichten muss gebohrt werden? Ist ausreichend Thermalwasser im Untergrund vorhanden und steht es konstant für den Nutzungszeitraum zur Verfügung? Ob ein Tiefengeothermie-Projekt erfolgreich und sicher umgesetzt werden kann, hängt entscheidend von der Kenntnis der Geologie ab.
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen auf dem Weg in die Tiefe?
Die für die Geothermie notwendigen Tiefbohrungen sind teuer und müssen sicher und effizient umgesetzt werden, damit die Tiefengeothermie konkurrenzfähig ist. Um dies zu gewährleisten, ist es beim Bohren in Tiefen von mehreren Kilometern essenziell, den Untergrund gut zu verstehen. Im Fokus unserer Untersuchungen steht die mechanische Interaktion: Wir versuchen, den Untergrund im Hinblick auf Druck und Spannungen, die mit den Bohrungen wechselwirken, so gut wie möglich zu charakterisieren.
Reaktionen beim Bohren, z.B. ungewollte Zuflüsse von Formationswasser und Gas oder Bohrlochinstabilitäten, wollen wir vermeiden. Und auch für die Entnahme und Rückführung des Thermalwassers in den Untergrund ist das Verständnis der Druck- und Spannungszustände essentiell. Versteht man diese Parameter nicht, kann dies zu künstlich erzeugten Mikro-Erdbeben führen, die in manchen Fällen an der Oberfläche spürbar sein können.
Wie groß ist das Risiko in Bayern für ein Erdbeben, ausgelöst durch hydrothermale Geothermie?
In Südbayern, wo wir die hydrothermale Geothermie nutzen, ist das Risiko für spürbare Erdbeben sehr gering – natürlich vorkommende und spürbare seismische Aktivität ist in Südbayern quasi nicht vorhanden. Nichtsdestotrotz kam es auch hier schon zu leichten, aber spürbaren Mikrobeben. Die bleiben zwar in der Regel schadlos, aber verständlicherweise tragen sie nicht zur Akzeptanz in der Bevölkerung bei.
Was tun für ein Mehr an erneuerbaren Energien?
Mittlerweile muss jede Kommune einen Plan vorlegen, wie sie in der Wärmeversorgung vorankommen und klimaneutral werden will. Gerade wenn es schon ein bestehendes Fernwärmenetz gibt, ist die Tiefengeothermie eine echte Option. Die Stadt München ist hier Vorreiterin und setzt derzeit ihre siebte Anlage um, um das Fernwärmenetz über tiefe Geothermie zu betreiben.
Unser Beitrag für den Ausbau von Geothermie ist es, Planern, Anlagebetreibern und Behörden den regionalgeologischen Kontext, geowissenschaftliche Modelle und Konzepte zur Verfügung zu stellen. Das hilft, das geothermische System besser zu verstehen, und somit kann lokal und projektspezifisch die geothermische Erschließung und Förderung des Thermalwassers sicher und effizient umgesetzt werden. Dazu kombinieren wir Techniken aus verschiedenen Disziplinen, etwa Bohrtechnik und Geophysik, um Risiken bei der Energiegewinnung durch Tiefengeothermie-Projekte zu minimieren und für mehr Sicherheit beim Abteufen der Bohrungen zu sorgen.
Welche Methoden wenden Sie in Ihrer Forschung an?
Zusätzlich zu den Erkundungen und Erfahrungen aus Geothermie-Projekten stehen uns hunderte Bohrungen und geophysikalische Daten aus der Zeit der Kohlenwasserstoffförderung in den 1950er bis 1980er Jahren zur Verfügung. Das ist ein riesiger Datenschatz, den wir jetzt für unsere Forschung erstmalig ganzheitlich auswerten. Die Qualität und Strukturierung der Daten spielen dabei eine wichtige Rolle. Unser Ziel ist es unter anderem, dabei neue Standards zu setzen und z.B. für Messungen und Indikatoren, die uns etwas über die Druckbedingen im Untergrund verraten, eine globale und standardisierte Datenbank aufzubauen.
Wir arbeiten auch mit internationalen Kooperationspartnern, etwa in Norwegen mit der staatlichen Forschungseinrichtung SINTEF, um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu testen. Wie können wir KI einsetzen, um anhand von Bohrlochmessungen automatisiert Bohrrisiken zu minimieren? Wie können wir KI nutzen, um die Auswertung dieses riesigen Datensatzes effizienter zu gestalten?
Wie kam es zur Idee, die Lehrveranstaltung Bürgerbeteiligungsverfahren anzubieten? Was möchten Sie Studierenden mit auf den Weg geben?
Die Studierenden im Masterstudiengang Geothermie/Geoenergie werden interdisziplinär ausgebildet: in den Geowissenschaften, im Maschinenbau, in Rechtsfragen, in Betriebswirtschaftslehre, und eben auch in der Bürgerbeteiligung – eine Schlüsselqualifikation, um adäquat zum Thema informieren und kommunizieren zu können. Gemeinsam mit der Hochschule Neu-Ulm betreue ich im Rahmen des BayWiss eine Promotion zu diesem Thema, deshalb freue ich mich sehr, die Lehrveranstaltung Bürgerbeteiligung ab diesem Wintersemester gemeinsam anzubieten.
Die Studierenden sollen vor allem in die Lage versetzt werden, Anliegen der Bevölkerung zur Tiefengeothermie zu verstehen und zu antizipieren. Sie sollen befähigt werden, Sachverhalte klar und allgemeinverständlich zu kommunizieren. Bei Informationsveranstaltungen äußern Bürgerinnen und Bürger Bedenken und Fragen, mit denen man aus der fachlichen Perspektive nicht unbedingt rechnet – für die Wissenschaft bietet diese Form von Public Engagement somit auch immer Erkenntnisgewinn.
Prof. Michael Drews´ Professur wurde nach erfolgreichem Tenure-Track-Prozess im September 2025 verstetigt. Wir gratulieren Prof. Drews zu dieser wohlverdienten Anerkennung!
Die Geothermie Allianz Bayern ist ein vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gefördertes Verbundprojekt, das im Jahr 2016 startete. Unter ihrem Dach bündeln die Ludwig-Maximilians-Universität München(LMU), die Hochschule München (HM), die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), die Universität Bayreuth (UBT) und die Technische Universität München (TUM) ihre Forschungsaktivitäten. Sie bringt die Geowissenschaften mit den Ingenieurwissenschaften zusammen und schafft zudem einen Wissenstransfer zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.
FAU und TUM bieten den Masterstudiengang GeoThermie/GeoEnergie an, der über die Geothermie Allianz Bayern teilfinanziert wird. Ab dem zweiten Semester finden an der TUM donnerstags und freitags Lehrveranstaltungen in München statt.