ED: Wie war Ihr Weg vom TUM-Alumnus zum Dozenten für Patentrecht? Waren eigene Erfahrungen ausschlaggebend dafür, dass Sie Patentanwalt geworden sind?
Christian Wende: Ich hatte als Student an der TUM ein Startup gegründet, das mit dem Vorwurf der Patentverletzung konfrontiert wurde. Deshalb mussten wir uns mit der Thematik Patentfähigkeit, Nichtigkeit, Stand der Technik etc. befassen. Es war eine für das Unternehmen existenzielle Fragestellung, die mit entsprechendem Einsatz zufriedenstellend beantwortet werden konnte. Nach dem Verkauf des Startups habe ich die Seiten gewechselt und wurde von dem Patentanwalt ausgebildet, der uns damals ausgezeichnet beraten und vertreten hat.
Seit 2011 darf ich jedes Sommersemester fast 100 junge, motivierte Menschen auf den gewerblichen Rechtsschutz aufmerksam machen und aus der Praxis berichten. Viele dieser Talente habe ich danach als erfolgreiche Ingenieurinnen und Ingenieure, Unternehmerinnen und Unternehmer, als Erfinderinnen und Erfinder oder auf Seiten der Risikokapitalinvestoren wieder getroffen. Und einige meiner Studierenden sind auch Patentanwältinnen und -anwälte geworden. Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass die nächste Generation von Innovationstreibern weiß, wie sich Erfindungen in wirtschaftlichen Erfolg ummünzen lassen. Hier sehe ich deutliches Verbesserungspotenzial und möchte Wissen und Erfahrung weitergeben.
Auf meinem Karriereweg habe ich an der TUM viele Menschen getroffen, die mich gefördert haben. Es ist ein Privileg, das nun zurückgeben zu dürfen. Dafür bin ich sehr dankbar und weiß auch die Unterstützung insbesondere von Prof. Petra Mela und Prof. Christoph Ann sehr zu schätzen.
Schön ist auch, dass ich durch meine Medizintechnik-Ausbildung an der TUM weiterhin in der Forschung mitwirken kann. Ein großer Teil meiner täglichen Arbeit betrifft Entwicklungen im Bereich Neurostimulation für Brain-Spinal-Cord Interfaces, um z.B. querschnittgelähmten Patientinnen und Patienten wieder das Laufen und Bewegung im Allgemeinen zurückzugeben. Davon dann in der Vorlesung zu berichten, ist eine großartige Sache. Ich habe die volle Aufmerksamkeit des Auditoriums. Das sind aus meiner Sicht die Momente, in denen Studierende verstehen, dass man mit Technik viel bewirken kann, dass aber auch eine wirtschaftliche Komponente dazugehört und dass die getätigten Investments wieder refinanziert werden müssen. Und dabei spielen unter anderem Patente eine große Rolle.
ED: Weshalb finden Sie es wichtig, dass Studierende – besonders angehende Ingenieur:innen – um das Thema wissen? Was sind die wichtigsten Grundlagen, die Studierende über das Patentrecht wissen sollten, bevor sie eigene Innovationen entwickeln oder eine Führungsrolle übernehmen?
Christian Wende: Patente sind ein wichtiger Baustein für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Bei technologiegetriebenen Startups ist es undenkbar, keine Patente anzumelden. Ich vertrete mit meinem Team hochkarätige Venture Capitals im Medtech-, Healthcare- und Life-Science-Sektor. Ohne eine solide Strategie in Sachen gewerbliche Schutzrechte – und das umfasst mindestens die Bereiche Patente, Marken, Design, Software und Knowhow-Schutz – ist es nicht möglich, Investoren zu einem Einstieg zu bewegen und das Unternehmen erfolgreich zu machen.
Selbst Unternehmen, die es bootstrapped bis zur Übernahme schafften, meldeten mehrere Patente an, die wiederum bei der Akquisition einen wichtigen wertbildenden Faktor spielten. Erfolgreiche Beispiele von Startups aus der TUM, die ich betreut habe bzw. immer noch betreue, sind Kumovis (2022 Akquisition durch 3D Systems) und Irasun (2022 Akquisition durch Getinge).
ED: Medizinische Verfahren haben einen besonderen Status bei der Patentanmeldung. Was gibt es hier generell zu beachten?
Christian Wende: Bei medizinischen Verfahren gibt es in Europa die Ausnahme von der Patentierbarkeit der medizinischen Verfahren. Diese Ausnahme gibt es aber nicht zwingend überall auf der ganzen Welt. So ist es beispielsweise im wichtigsten Markt für Medizintechnik, den USA, sehr wohl möglich, Patentschutz für medizinische Verfahren oder eine neue Anwendung eines Medizinprodukts zu erhalten. Es gilt also, sich die relevanten Märkte anzusehen und zu überlegen, wo man sich mit seinen Produkten wirtschaftlich positioniert.
ED: Können Sie typische Fallstricke erläutern, denen Ingenieur:innen bei der Anmeldung eines Patents oder Designs oft begegnen? Was können Studierende aus diesen Beispielen lernen, um solche Fehler zu vermeiden?
Christian Wende: Ein typischer Fehler ist, die Innovation zu unterschätzen, sie ohne Anmeldung zu präsentieren und dann im Nachgang aufgrund der Resonanz zu erkennen, dass man da gerade etwas Wertvolles preisgegeben hat. So eine Situation zu retten ist schwierig. Daher ist ein essenzieller Teil der Wissensvermittlung, konkrete Innovationen zu erkennen und sich entsprechend patentrechtlich beraten zu lassen. Im Idealfall heißt es: erst anmelden, danach die Innovation präsentieren.
Zur Vorlesung
Die Vorlesung „Patentrecht für Ingenieure“ vermittelt Wissen um Schutzrechte, z.B. Grundlagen des Arbeitnehmererfindergesetzes, Vergütungsansprüche oder Verteidigungsstrategien. Zur Vorbereitung im Speziellen auf eine Führungsposition ist Ziel der Lehrveranstaltung, dass Studierende rechtliche Schritte in Schutzrechtfragen juristisch einschätzen können (Risikomanagement, Monetarisierung).
Interdisziplinär ausgelegt, bietet die Vorlesung für alle TUM-Studierenden als Ergänzungsfach Basiskenntnisse in Theorie und Seminar, etwa in Form von Exkursionen zum Zoll, zum Deutschen Museum oder an den Bundesgerichthof. Bis zu fünf ECTS sind in technischen Studiengängen anrechenbar, nach Prüfung auch in anderen Studiengängen.
Weiterführende Links:
Vorlesung: Einführung in Patente, Markenschutz und Design-Recht für Ingenieur:innen
In Zusammenarbeit mit: Lehrstuhl für Wirtschaftsrecht und Geistiges Eigentum
Studie The role of European universities in patenting and innovation von Europäischem Patentamt und Fraunhofer ISI