Bis zu vier Mal jährlich messen die Geodät:innen und Geolog:innen Erschütterungen, Felsstürze und Murenabgänge am Berg, die durch Erosion, Temperaturschwankungen und starke Niederschläge ausgelöst werden. Punktuelle Deformationen werden sogar kontinuierlich erfasst. Durch den Klimawandel zersetzt sich Gestein aus Hauptdolomit immer schneller und es werden in Zukunft häufiger Felsstürze auftreten. Die Daten sollen dabei helfen, Trigger-Faktoren und Felssturz-Prozesse besser zu verstehen, um einen bevorstehenden Abbruch von Felsmassen vorauszusagen und Warnungen auszugeben.
Die Forschenden erfassen mittels Laserscannern 3D-Geodaten und hochauflösende Punktwolken und leiten daraus Oberflächenmodelle ab. Tachymeter analysieren Felstürme und ermitteln damit Fallgeschwindigkeiten und Neigungswinkel potenziell abbrechender Felsen. Globale Navigationssysteme, darunter GPS, identifizieren die stabilen Bereiche des Gipfels. Seismische Messungen, etwa Geophonen, zeichnen die Schwingungen am Berg auf, und Fissurometer messen Risse im Gestein.
Eine webbasierte App für die 3D-Visualisierung beinhaltet einen digitalen Zwilling des Bergs, erstellt durch die photogrammetrische Digitalisierung von Luftbildern. Für den Hochvogel sind Hotspots, Veränderungsanalysen, Echtzeit-Monitoring-Daten und Jahresvergleiche verfügbar.
Neuartige Methoden zur frühzeitigen Aufdeckung von Veränderungen am Hochvogel entwickelten und publizierten Prof. Christoph Holst und Lukas Raffl vom Lehrstuhl für Ingenieurgeodäsie am Department Aerospace and Geodesy der TUM School of Engineering and Design. Hochauflösende photogrammetrische Vermessungen, gepaart mit digitalen Zwillingen aus Laserscans und im Gestein fest markierten Referenzpunkten, erlauben so die Identifikation kleinster Gesteine und ihre Lokalisierung über die Zeit.
Die daraus abgeleiteten Ergebnisse liefern, in Kollaboration mit dem Lehrstuhl für Hangbewegungen, einzigartige Informationen über räumliche und zeitliche Muster bei Felsstürzen auf Basis interdisziplinärer Forschung. Sie sind ein erster Schritt zu einem besseren Verständnis der Rolle des Sedimenteintrags für die Häufigkeit, das Ausmaß und die Persistenz von Sedimentwellen in alpinen Einzugsgebieten.
„Für die Beobachtungen und Vorhersagen findet unsere wissenschaftliche Arbeit am Hochvogel ideale Bedingungen. Durch den Multi-Methodenansatz können wir den natürlichen Prozess mitverfolgen und Möglichkeiten entwickeln, uns an die Veränderungen anzupassen. Dazu ist es wichtig, eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu haben, auf Grund derer die Sicherheit der Anwohner:innen und Wanderer gewährleistet und beispielsweise Wege gesperrt werden“, erläutert Prof. Christoph Holst, Lehrstuhl für Ingenieurgeodäsie.
Links:
Projekt AlpSenseRely in Kooperation von
Lehrstuhl für Hangbewegungen (Koordination)
Lehrstuhl für Ingenieurgeodäsie
Professur für Photogrammetrie und Fernerkundung
Publikation 1: Photogrammetric rockfall monitoring in Alpine environments using M3C2 and tracked motion vector
Publikation 2: Extending geodetic networks for geo-monitoring by supervised point cloud matching