Johannes Betz absolvierte sein Studium der Fahrzeugtechnik an der Hochschule Coburg und der Universität Bayreuth. Von 2013 bis 2018 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TUM, wo er 2019 zum Dr.-Ing. promovierte. Von 2016-2020 absolvierte er ein zusätzliches Studium der Wissenschafts- und Technikphilosophie an der TUM. Bis 2022 war er als Postdoc am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik tätig und gründete dort das TUM Autonomous Motorsport Team, das bis heute erfolgreich an autonomen Rennsportserien teilnimmt. Seine Forschung als Postdoc setzte Johannes Betz an der University of Pennsylvania, USA, im xLab for Safe Autonomous Systems zwischen 2020-22 fort. Im Jahr 2023 wurde er als Rudolf Mößbauer Professor an die TUM auf die Professur für Autonome Fahrzeugsysteme berufen.
Wie sind Sie zu der Person geworden, die Sie heute sind?
Johannes Betz: Ich komme aus einer Familie von Fahrzeugtechnikern, mein Papa war KFZ-Mechanik- und Landmaschinenmeister, mein Opa hatte den gleichen Beruf. Außerdem bin ich auf einem Bauernhof groß geworden. Es waren immer Geräte um mich herum, die fahren können, die Räder haben, an denen man schrauben kann und die irgendeiner Weise den Menschen unterstützen. Daher kommt meine Begeisterung für das Thema Fahrzeugtechnik, die sich Jahre später im Studium noch vertieft hat. Allerdings hatte ich zunächst das Ziel, Entwickler bei BMW oder Porsche zu werden und immer direkt an Fahrzeugen zu arbeiten. Als ich meine Bachelorarbeit geschrieben habe, entdeckte ich meine Begeisterung für wissenschaftliches Arbeiten. Dies führte mich zum Masterstudium und zur Promotion hierher an die TUM. Über meine Postdoc Stelle bin ich schließlich zum Bereich autonomes Fahren gekommen. Ein Forschungsfeld, das bis vor wenigen Jahren nur in der Robotik angesiedelt, im Bereich der Mobilität vielmehr nur Trend war. Auch heute gibt es verhältnismäßig wenige Professuren, die sich ausschließlich mit autonomen Fahrzeugen, die nur auf dem Boden fahren, beschäftigen.
Warum braucht es autonomes Fahren?
Im autonomen Fahren sehe ich einen Wendepunkt in der Mobilität, die weit über Bequemlichkeit hinausgeht. Als Forscher bin ich davon überzeugt, dass wir Menschen das Steuer abgeben sollten. Wenn ich mit dem Auto fahre, verschwende ich Zeit, die ich besser nutzen könnte. Hinzu kommen Sicherheitsaspekte. Es gibt viele Unfälle mit Verkehrstoten, die unnötig sind. Ich beschäftige mich in meiner Forschungsarbeit mit der Softwareentwicklung, damit autonome Fahrzeuge eigenständig besser, schneller, weiter und sicherer fahren. Das Ziel ist „Vision Zero“: Keine Verkehrstote mehr durch Fahrzeuge auf der Straße.
Woran arbeiten Sie gerade konkret? Was ist Ihr erstes Forschungsprojekt an der TUM?
Mein erstes Forschungsprojekt „Agilität für Sicherheit“ versucht Erkenntnisse aus dem autonomen Motorsport – wo nur im Kreis gefahren wird – auf Straßenfahrzeuge zu übertragen. Gemeinsam mit meinem Team untersuche ich, wie autonome Fahrzeuge in kritischen Situationen durch hochagile Manöver sicher ausweichen können. In diesem Zusammenhang beschäftige ich mich auch mit ethischer Verhaltensplanung für autonome Fahrzeuge. Diese Forschungsfrage ist durch meinen zweiten Master in Philosophie inspiriert. Die Auseinandersetzung zielt darauf ab, moralische Entscheidungsfindungsprozesse in die Steuerungsmechanismen zu integrieren, die über den reinen Sicherheitsgedanken hinausgehen und auch soziales Verhalten oder verschiedene kulturelle Kontexte berücksichtigen. Ein Beispiel hierfür wäre die Anpassung des Fahrzeugverhaltens an unterschiedlichen Verkehrsbedingungen in verschiedenen Ländern.
Um die genannten Forschungsthemen zu untersuchen, arbeiten wir u.a. intensiv mit dem Forschungsfahrzeug EDGar (Exzellent Driving Garching), einem hybriden VW-Bus, der mit Sensorik ausgestattet ist. Dieses Fahrzeug dient als Basis für praktische Experimente zu Agilität, Sicherheit und Entscheidungsfindung im autonomen Fahren.
Was ist notwendig, damit ein autonomes Fahrzeug selbstständig ausweichen kann?
Für autonomes Ausweichen sind präzise Umgebungswahrnehmung und Positionsbestimmung entscheidend, trotz gegebener Unsicherheiten in Technologien wie Kameras zur Objekterfassung oder GPS zur Positionsbestimmung. Das Fahrzeug muss lernen, dass es trotz dieser Ungenauigkeiten einen sicheren Raum zur Navigation gibt, wo die Sicherheit bei 99% liegt. Eine weitere Herausforderung besteht in der Realisierung hoch agiler Manöver, etwa Driften, was neue Ausweichmöglichkeiten eröffnen könnte. Diese Entwicklungen sind Teil eines langfristig angelegten Forschungsprojekts, das mit den ersten Doktorand:innen begonnen hat.
Was können Sie vor dem Hintergrund Ihres eigenen Werdegangs dem wissenschaftlichen Nachwuchs weitergeben?
Wissen weiterzugeben, ist die Antwort. Ich selbst hatte das große Glück in meinem Leben immer Mentor:innen oder Lehrer:innen zu haben, die mich motiviert und gefördert haben. Es ist für mich elementar, diese Unterstützung zurückzugeben, besonders in einem zukunftsträchtigen Bereich wie dem autonomen Fahren, der enormes Wachstumspotenzial bietet.
Auf welche Veränderung hoffen Sie in der Zukunft?
Ich wünsche mir mehr Zusammenarbeit und zielorientiertes Handeln in allen Bereichen. Ich glaube, dass es trotz Bewusstsein für globale Herausforderungen wie den Klimawandel an gemeinsamen, großen und übergreifenden Zielen mangelt, auf die wir gemeinschaftlich hinarbeiten. Auch auf die Ebene der Universität heruntergebrochen würde ich mir erhoffen, dass wir vermehrt kollektiv auf konkrete Ziele hinarbeiten und jede:r einen Beitrag für große Fragestellungen leistet. An manchen Stellen sollten wir vielleicht unsere eigenen Bedürfnisse zurückstecken, weil das große Ganze zählt.