Appointment with… Professor Christoph Goebel

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Mit der Interviewreihe „Appointment with…“ stellt die TUM School of Engineering and Design neue Professorinnen und Professoren vor: Diesmal sind wir im Gespräch mit Prof. Christoph Goebel, der zum Oktober 2022 als Ordinarius des Lehrstuhls für Energiemanagement-Technologien am Department of Energy and Process Engineering berufen wurde.

Prof. Christoph Goebel, Energy Management Technologies, Department of Energy and Process Engineering, TUM School of Engineering and Design, Technical University of Munich
Christoph Goebel ist seit Oktober 2022 Professor für Energiemanagement-Technologien im Department of Energy and Process Engineering. Bild: People Pictures

Christoph Goebel studierte Informatik und Wirtschaftswissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie, der École Polytechnique Fédérale de Lausanne und der Carnegie Mellon University. Er promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin und forschte danach an der University of California in Berkeley und der Technischen Universität München, wo er 2016 von der Fakultät für Informatik habilitiert wurde. Bis zu seiner Berufung auf die Professur für Energiemanagement-Technologien im Oktober 2022 arbeitete er in der freien Wirtschaft im Rahmen von Innovationsprojekten an Anwendungen des Maschinellen Lernens. Die Forschungsarbeit von Christoph Goebel konzentriert sich auf die sektorübergreifende Entwicklung neuer Technologien für die intelligente Steuerung von Energiesystemen. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Nutzung neuester Informationstechnologien, insbesondere von verteilten Systemen, datengetriebenen Steuerungsalgorithmen und maschinellem Lernen. Ziel ist es, verteilte Energieressourcen, etwa Solaranlagen, Batterien, Wärmepumpen, Elektroautos, thermische Speicher und Wasserstoffanlagen, optimal zu steuern.

 

Wie sind Sie zu dem geworden, der Sie sind?

Eine nicht zu unterschätzende Rolle dabei hat sicher die Unterstützung meiner Familie und eine sehr gute Grundausbildung – verbunden mit großer Freiheit zur eigenständigen Entwicklung – gespielt. Darüber hinaus hatte ich auch schon vor dem Internet einen sehr guten Zugang zu Wissen. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Regal voller National Geographic-Hefte, in die ich mich als Kind regelmäßig vertiefte. Ich hatte immer schon eine starke Neigung dazu, den Dingen auf den Grund zu gehen und zu verstehen, wie technische Systeme, aber auch die Wirtschaft, funktionieren. Es fiel mir daher zu Beginn meiner wissenschaftlichen Ausbildung schwer, mich auf ein bestimmtes Spezialthema festzulegen. Was mir recht schnell klar war: Ich wollte gestaltend arbeiten, also technische Systeme wirklich entwerfen und bauen.

Den Ausschlag dazu, Informatik und Wirtschaftswissenschaften zusammen zu studieren, gab damals meine intensive Beschäftigung mit dem Programmieren und mein erstes Unternehmen, das ich schon zu Schulzeiten gründete. Einen gestaltungsorientierten und interdisziplinären Ansatz verfolge ich bis heute auch in meiner Forschung. Wie viele meiner Kolleg:innen glaube ich, dass die großen Durchbrüche der Wissenschaft in nächster Zeit an den Schnittstellen zwischen den Disziplinen stattfinden werden.

Zu meinem Forschungsthema bin ich während meiner Zeit als Postdoc an der Universität in Berkeley gekommen. Der Aufenthalt dort war für mich ein Glücksfall, da er mir die notwendige Zeit und das bestmögliche Umfeld für die Suche nach dem passenden Forschungsgegenstand geboten hat. Die intelligente Steuerung der zukünftigen Energiesysteme erschien mir damals einerseits hochrelevant, andererseits hatte ich auch das Gefühl, dass ich durch meine Ausbildung und Forschung bis dahin bereits viel Methodenwissen für die Arbeit an diesem Thema mitbrachte. Der Kontakt zu hervorragenden Wissenschaftler:innen, die in diesem Bereich bereits aktiv waren, tat sein Übriges. Seit meiner Zeit in Berkeley habe ich auch viel Zeit in der Industrie verbracht und dort an Forschungs- und Entwicklungsprojekten zum Maschinellen Lernen gearbeitet. Dieses Feld hat insbesondere in den letzten Jahren einen Sprung nach vorne gemacht und ich bin davon überzeugt, dass wir die neuesten Methoden aus diesem spannenden Bereich nicht nur für neue Chatbots, sondern auch für eine nachhaltige Energieversorgung einsetzen können.
 

Was wird Ihr erstes Forschungsprojekt an der TUM?

Grundsätzlich ist mir sehr wichtig, dass meine Forschung eine positive Wirkung auf die Gesellschaft hat. In meinem Fall ist das die Beschleunigung der Entwicklung unserer Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit, insbesondere im Bereich der Energieversorgung. Daher arbeite ich seit meinem Einstieg im Oktober gemeinsam mit meinen Mitarbeiter:innen an mehreren prototypischen Systemen, die das Potential neuester Informationstechnologien bei der Umsetzung der Energiewende demonstrieren und idealerweise auch Verwendung über die wissenschaftliche Forschung hinaus finden werden, zum Beispiel in Zusammenarbeit mit TUM Venture Labs.

Mit einem ersten Prototyp werden wir untersuchen, wie die Technik des Deep Reinforcement Learning in Energiemanagement-Systemen für Gebäude eingesetzt werden kann. Dabei handelt es sich um eine Technik, die eine rein daten-getriebene Steuerung von sehr komplexen Systemen ermöglicht und beispielsweise auch von Google Deepmind eingesetzt wurde, um große Durchbrüche im KI-Bereich zu erreichen. Ich glaube, dass uns Deep Reinforcement Learning im Energiebereich ähnlich große Fortschritte erlauben könnte wie in anderen Bereichen.

Ein zweiter Prototyp wird ein Betriebssystem für das Energiemanagement sein. Das kann man sich vorstellen wie ein Art Windows für den Energiesektor, auf dem man ganz leicht neue Software installieren kann, ohne neue Hardware anschaffen zu müssen. Aktuell ist es nämlich noch nicht möglich, gleichzeitig verschiedene Energiemanagementlösungen mit der entsprechenden Hardware im Energiebereich, also zum Beispiel Elektroautos, Energiespeicher oder Wärmepumpen, zu nutzen. Außerdem scheitert die Entwicklung innovativer Software nicht selten an der Vernetzung mit der physikalischen Welt und ist sehr aufwendig, da immer alle Softwarekomponenten neu entwickelt werden müssen.

Ein dritter Prototyp geht schließlich ein Problem an, das die Entwicklung innovativer Softwaresysteme im Energiebereich bereits seit einiger Zeit stark verlangsamt. Es gibt leider noch keine digitale Plattform, auf der Daten, Modelle und Algorithmen für die Entwicklung von Energiemanagementsystemen zwischen Forschenden getauscht und gemeinsam weiterentwickelt werden können. In anderen Gebieten, beispielsweise der Bild- und Sprachverarbeitung, ist dies bereits etabliert, warum sollte es also nicht auch im Energiebereich gehen? Daher möchten wir zeigen, wie eine solche Plattform aussehen kann, und die entsprechende Funktionalität in einem Community-basierten Ansatz validieren.
 

Auf welche Veränderung hoffen Sie in der Zukunft?

Wir in Deutschland haben uns bei der Energiewende aus verschiedenen Gründen besonders viel vorgenommen. Es geht darum, sehr komplexe und innovative Ansätze in sehr kurzer Zeit zum Erfolg zu führen. Ich hoffe darauf, dass wir diese Herausforderung gemeinsam als Gesellschaft annehmen und auch die großen Chancen sehen, die mit der nachhaltigen Lösung unserer aktuellen Energieprobleme einhergehen. Wenn wir in Deutschland mit unserer schwierigen Ausgangslage diese Technologien entwickeln und implementieren können, dann sehe ich gute Chancen, dass dies auch weltweit funktioniert. Ich möchte einmal meinen Kindern sagen können, dass ich alles in meiner Macht Stehende getan habe, um ihnen eine gute Lebensgrundlage zu erhalten.

Besonders in der interdisziplinären Forschung kommt man allein oft nicht weit: Es geht darum, von anderen zu lernen und sein eigenes Wissen möglichst produktiv in entsprechende Kooperationen einzubringen. Außerdem macht mir die gemeinsame Arbeit mit anderen Menschen besonders viel Spaß. Daher hoffe ich darauf, dass ich viele Mitstreiter:innen in der Wissenschaft, aber auch in der Wirtschaft finde, mit denen ich vertrauensvoll und effektiv zusammenarbeiten kann.

Neben der Forschung an den bereits beschriebenen Themen ist die Ausbildung der Studentinnen und Studenten eine weitere zentrale Aufgabe. Ich versuche, meine Lehrveranstaltungen so aufzubauen, dass Studierende Lust darauf bekommen, sich auch in komplexe Themengebiete einzuarbeiten und neue Fähigkeiten zu erlernen. Und ich möchte ihnen eine sichere Umgebung anbieten, in der sie ihre Ideen ausprobieren können und sie dadurch ermutigen, auf sich selbst und ihre Fähigkeiten zu vertrauen. Das geht meiner Meinung nach nicht allein mit traditionellen Vorlesungen, sondern erfordert neue Lehrformate – zum Beispiel Praktika, in denen Studierende ihr eigenes Energiemanagementsystem bauen können. Solche Veranstaltungen sind aber sehr aufwendig und ich hoffe, dass ich sie trotzdem nach und nach entwickeln und anbieten kann.