Franziska Kratzl erzeugt mit Blaualgen, Sonnenlicht und CO2, Zucker zur Herstellung von Bioplastik. Mit dieser Grundlagenforschung betreibt sie einen wichtigen Beitrag, um erdölbasierten Plastikmüll zu vermeiden und der Klimakrise entgegenzutreten.
Fotos: Tassilo Letzel / Interview: Susanne Höcht
ED: Sie haben bereits den Bachelor Molekulare Biotechnologie und Master Industrielle Biotechnologie an der TUM absolviert. Was finden Sie an der Biotechnologie besonders spannend?
Franziska Kratzl: Grundsätzlich begegnet uns die Biotechnologie überall. Spätestens mit der Pandemie haben wir gesehen, wie wichtig diese wissenschaftliche Disziplin ist. Mich reizt aber auch, dass sie eine sehr interdisziplinäre Wissenschaft ist. Ich habe nicht einfach nur Freude an Biologie und Chemie, sondern eben auch an der Verfahrenstechnik und mathematischen Modellen.
Aus Cyanobakterien – eher als Blaualgen bekannt –, Sonnenlicht und CO2 sowie der Zugabe des Bakteriums Pseudomonas putida können Sie Bioplastik herstellen. Wie kann sich eine fachfremde Person den Prozess vorstellen?
Das Cyanobakterium kann Photosynthese betreiben, wie Pflanzen an Land. Im Rahmen der Photosynthese wird CO2 fixiert. Das heißt, es wird nutzbar gemacht für wichtige biologische Prozesse. Erfährt das Bakterium einen Salzstress, bildet es einen Zucker, genauer Saccharose (Tafelzucker), um diesen auszugleichen. Das verwendete Cyanobakterium ist so modifiziert, dass es den gebildeten Zucker aus der Zelle hinausschleust. Hier dient die Saccharose als Kohlenstoffquelle für eine veränderte Variante des Bodenbakteriums Pseudomonas putida, das ein natürlicher Produzent von Bioplastik ist. Erfährt das Bodenbakterium eine äußere Limitation, zum Beispiel von Stickstoff, akkumuliert es das Bioplastik als Speicher- und Energiestoff.
Durch die Klimakrise wird Nachhaltigkeit in allen Lebensaspekten immer wichtiger. Wie können Sie mit Ihrer Forschung dazu beitragen?
Zunächst ist unsere Forschung mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen in einer Co-Kultur erstmal Grundlagenforschung. Tatsächlich ist genau die Co-Kultur das spannende in unserem Ansatz. Das gilt nicht nur unbedingt für die Herstellung von Bioplastik. Bioplastik kann nämlich noch durch viele weitere Mikroorganismen hergestellt werden. Für unsere Co-Kultur haben wir die Vision einen Plattformprozess zu entwickeln, der es uns ermöglicht, viele interessante Produkte aus CO2 und Licht herzustellen. Weiter ist es beispielsweise noch nicht möglich, „dreckiges“ CO2 aus Industrieanlagen für die Mischkultur, wie wir sie erforschen, zu verwenden. Dennoch ist jegliche Forschung bezüglich einer CO2-Fixierung ein wichtiger Beitrag, um der Klimakrise entgegenzutreten.
Bioplastik steht immer wieder in der Kritik, weil verwendete Rohstoffe aus beispielsweise Mais, Zuckerrohr oder Weizen in Konkurrenz zur Nahrungsversorgung stehen oder auch zur Abholzung von Waldflächen beitragen. Wie unterscheidet sich ihr Ansatz von bisherigen biotechnologischen Ansätzen?
In dem Ansatz mit der Co-Kultur wird CO2 verwendet, das nicht direkt in Konkurrenz mit unserer Nahrungsversorgung steht. Langfristig wäre eben genau das ein Vorteil von Bioplastik erzeugt mit Cyanobakterien oder Algen. Auch können Abfallprodukte wie zum Beispiel Melasse verwendet werden, um Bioplastik herzustellen.
Welche weiteren Produkte können daraus entstehen? Welches Potenzial sehen Sie in Plastik aus Algen?
Blaualgen, aber auch viele andere Bakterien, bringen ein enormes Potenzial für unseren Planeten mit. Das wird momentan in vielen Wissenschaftsbereichen erforscht. Da die blaugrünen Bakterien nur Wasser, CO2 und Sonnenlicht benötigen, sind sie ein optimaler Akteur für eine klimaschonende und nachhaltige Kunststoffproduktion. Der Forschung und Entwicklung sind dabei keine Grenzen gesetzt. So gibt es beispielsweise erste Prototypen für Algen-Fassaden. Wäre doch praktisch vor Ort auch noch Bioplastik produzieren zu können. Leider ist vor allem die Mikroalgenbiotechnologie im Industriemaßstab oft noch nicht rentabel. Der Aufbau von Demonstrationsanlagen könnte helfen, um die möglichen „Bottelnecks“ aus solchen Prozessen im Tonnenmaßstab zu identifizieren.
Zur Person:
Vor ihrem Studium absolvierte Franziska Kratzl bereits an der TUM eine Ausbildung zur Biologielaborantin. Anschließend studierte sie den TUM-Bachelorstudiengang Molekulare Biotechnologie sowie den TUM-Master für industrielle Biotechnologie. Seit 2020 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Systembiotechnologie im Department of Energy and Process Engineering der TUM School of Engineering and Design. Als Doktorandin betreibt sie Grundlagenforschung mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen.
Profil von Franziska Kratzl: https://www.epe.ed.tum.de/sbt/team/franziska-kratzl/
Projektseite „CoConut: Cell-cell interaction in a synthetic co-culture, PHA production from sunlight and CO2 in an artifical co-culture between Synechococcus elongatus and Pseudomonas putida“: https://www.epe.ed.tum.de/sbt/forschung/coconut/