Text: Gitta Rohling
Morgens Zähne putzen und duschen, das Radio einschalten und einen Kaffee kochen: Was für viele Menschen selbstverständlich ist, ist vor allem in großen Städten organisatorisch ein Kraftakt. Insbesondere da die Nachfrage nach natürlichen Ressourcen wie Wasser, Energie und Nahrungsmitteln steigt – auch und wegen der Folgen des Klimawandels. Beispielsweise erhöht die Hitze in Los Angeles den Energieverbrauch, da Gebäude noch stärker gekühlt werden. Das Schmelzen der Gletscher in den Schweizer Alpen verringert den Wasser bestand, so dass Wasser zugeführt werden muss. Das sind nur zwei von vielen Beispielen, wie sich der Klima wandel auswirkt. Deswegen müssen wir den Ressourcen verbrauch auf ein nachhaltiges Niveau senken.
Wie schaffen wir das? Nicht nur durch weniger Verbrauch, sondern auch durch eine integrierte Planung der Sektoren Wasser, Energie und Nahrung, die eng zusammenhängen. Schließlich benötigt die Landwirtschaft ebenso wie Energieerzeugungsanlagen Wasser. Und um Wasser und Lebensmittel zu transportieren, bedarf es der Energie. Plant man die Versorgung integriert, lassen sich Synergien nutzen. Anders gesagt: In einer Ménage à trois wären Wasser, Energie und Nahrung gleichberechtigte Partner, die sich brauchen und unterstützen – und viel miteinander reden, um ihre Beziehung optimal zu gestalten.
Die Betrachtung dieser Wechselwirkungen sind aller dings bisher kaum in Lehre und Forschung und vor allem nicht in der Umsetzung angekommen. „Wir brauchen eine zirkuläre statt einer linearen Sichtweise“, betont Prof. Jörg Drewes, der den Lehrstuhl für Siedlungswasser wirtschaft an der TUM leitet. Hier gibt es seit 2017 die von Dr. Daphne Keilmann-Gondhalekar geleitete Forschungsgruppe Urban WaterEnergyFood Nexus. Gemeinsam haben sie 2021 die Forschungs- und Lehragenda Nexus@TUM ins Leben gerufen.
Eine kleine Stadt im Himalaya als Modell für nachhaltige Ressourcenverwaltung
Mehrere Pilotprojekte haben Drewes, Keilmann-Gondhalekar und Team bereits durchgeführt, etwa in Indien und im Niger, aber auch in Bayern. Sie interessieren sich für Regionen, in denen es an natürlichen Ressourcen man gelt und in denen neue Lösungen gefragt sind, die nicht durch die öffentliche Hand finanziert werden. Etwa die kleine Stadt Leh im indischen Himalaya, mitten in der Wüste. Die Stadt ist in den letzten Jahrzehnten durch den Tourismus exponentiell gewachsen und kämpft mit begrenzten Wasserressourcen. Drewes, Keilmann-Gondhalekar und Team sind hier bereits seit mehr als zehn Jahren aktiv. Klassische Konzepte, die extern entwickelt und finanziert wurden, führten bisher nicht zum gewünschten Erfolg – wie etwa der zeitaufwändige und kostspielige Plan, Wasser per Pipeline nach Leh zu pumpen. Die Nexus-Forschenden haben den Wasserbedarf erfasst und analysiert und viele Gespräche mit den Bewohnerinnen und Bewohnern geführt. Sie sind sich einig: Statt Wasser von außen in die Stadt zu transportieren, sollte das Abwasser, das in Leh anfällt, erfasst, behandelt und wiederverwendet werden. In jedem Hotel, Gästehaus und Haushalt lässt sich das verbrauchte Wasser in ein dezentrales System einspeisen und damit beispielsweise Felder bewässern, wo es den Pflanzen auch als Dünger zugutekommt. Ein solches System reduziert den Bedarf an Frischwasser, verringert den Abfallstrom, spart Energie und erzeugt lokal Nahrungsmittel. Zudem macht es die Stadt auch unabhängiger, als wenn sie Wasser von außen zuführen und bezahlen muss. „Das Beispiel zeigt: Es braucht neue Konzepte, die zusammen mit den Menschen vor Ort entwickelt, umgesetzt und finanziert werden“, weiß Keilmann-Gondhalekar.
Leh hat ihr eine weitere wichtige Erkenntnis geliefert: „Wir brauchen neue Rechenmodelle für die Kalkulation potenzieller Bedarfe“, sagt KeilmannGondhalekar, „denn die kurzfristig günstige Lösung ist es in der Regel nicht auf lange Sicht.“ So mag der Bau eines dezentralen Wassersystems teurer als eines zentralen sein. In klassische Berechnungen fließt aber der in Zukunft stark steigende Wert von Wasser in der Regel noch nicht ein. Die Forschenden setzen daher auf die sogenannte "multicriteria decision making analysis". Das ist eine Methode zur Entscheidungsfindung, bei der mehrere Kriterien, die nicht leicht zu quantifizieren oder zu vergleichen sind, gleichzeitig berücksichtigt werden.
Wasser marsch für die Umwelt
In Südafrika entwickelt das Team von Drewes derzeit Konzepte für Slums, sogenannte informelle Siedlungen. Strom gibt es hier ebenso wenig wie Wasser oder adäquate Sanitärlösungen, die Menschen können keine Felder anlegen und Nahrung produzieren. Das Abwasser belastet Bäche und Flüsse, was zu gesundheitlichen Problemen führt. Die Probleme sind miteinander verknüpft und können sich gegenseitig in einer Abwärtsspirale verstärken.
Bei diesem wie bei allen anderen Projekten sammeln die Forschenden Informationen, erfassen den Bedarf an Wasser, Energie und Nahrung, Studierende verfassen wissenschaftliche Arbeiten zu möglichen Ansätzen: erneuerbare Energien wie Solarenergie, Windenergie und Biomasse einsetzen, Biogas aus Abfällen erzeugen oder Regenwasser nutzen. „Letzteres passiert noch nicht einmal in einer modernen Stadt wie München“, sagt Drewes. „Es gibt viele Ideen und auch bereits Lösungen, wir setzen sie aber leider noch nicht um.“ Keilmann-Gondhalekar ergänzt: „Wir müssen dringend ins Handeln kommen.“ Deswegen geht Nexus@TUM weit über technische Aspekte hinaus. Es gilt, Menschen zu motivieren, Akzeptanz zu schaffen, Transformationswege aufzuzeigen, verschiedenste Stakeholder inklusive Regierungen zu überzeugen, Umweltingenieurinnen und -ingenieure für Nexus-Ansätze auszubilden und vieles mehr. Darum sind bei Nexus@TUM etwa auch Forschende aus den Sozial- und Politikwissenschaften gefragt. „Unsere Forschungen sind dann sinnvoll, wenn wir interdisziplinär aufgestellt sind, und die Umsetzung gelingt nur, wenn wir mit den Menschen vor Ort vertrauensvoll und langfristig in einem transdisziplinären Ansatz zusammenarbeiten“, sagt Drewes.
Prof. Jörg E. Drewes
leitet seit 2013 den Lehrstuhl und die Versuchsanstalt für Siedlungswasserwirtschaft an der TUM. Vor seiner Berufung an die TUM war er in den USA Professor an der Colorado School of Mines und Forschungsleiter am „NSF Engineering Research Center on Reinventing the Nation‘s Urban Water Infrastructure“. Er ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) und stellvertretender Sprecher der Trinkwasserkommission beim Bundesministerium für Gesundheit.
Dr. Daphne Keilmann-Gondhalekar
ist Stadtplanerin und Leiterin der Nexus-Forschungsgruppe am Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft an der TUM mit den Schwerpunkten integrierte Stadtplanung, Urban WaterEnergyFood-Nexus und Multi-Stakeholder-Prozesse. Sie hat an der Universität Tokio promoviert und war Postdoctoral Associate am Massachusetts Institute of Technology (MIT).
Machen Sie mit!
Nexus@TUM freut sich auf die Teilnahme von Forschenden aus allen Disziplinen. Informationen unter: www.nexus.wasser.tum.de
Link zum Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft
Artikel aus: Magazin Faszination Forschung #30