Microgrid für die Energiewende: Nachbarn teilen Solarstrom miteinander

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Ein halbes Jahr lang haben sieben Haushalte im bayerischen Dietfurt selbst erzeugten Solarstrom untereinander gehandelt. Die Ergebnisse des Projekts BASE.V am Lehrstuhl für Elektrische Energiespeichertechnik und der Professur für Hochspannungs- und Anlagentechnik der TUM School of Engineering and Design zeigen, dass Haushalte zu einer stabilen lokalen Energieversorgung beitragen, indem sie schwankende Energieerzeugung und -verbräuche ausgleichen. Der Stromhandel unter Nachbarn nutzt die Netzinfrastruktur optimal und leistet einen wichtigen Beitrag zur regenerativen, dezentralen Energieversorgung.

Die BASE.V-Projektbeteiligten bei der Übergabe
Die BASE.V-Projektbeteiligten bei der Übergabe in Dietfurt. Der Feldversuch hat gezeigt, dass der anreizbasierte, nachbarschaftliche Stromhandel den erforderlichen Netzausbaus sinnvoll ergänzen kann. Bild: C. Martens/Bayernwerk
BASE.V: Überblick über Stromüberschuss, -nachfrage und -transaktionen auf dem lokalen Strommarkt im Demonstrationsprojekt zwischen dem 21. Juli 2021 und dem 15. Januar 2022.
Überblick über den Stromüberschuss, die Nachfrage und die Transaktionen auf dem lokalen Strommarkt im BASE.V-Projekt zwischen dem 21. Juli 2021 und dem 15. Januar 2022. Grafik: Stefan Englberger
Systemarchitektur von BASE.V, bestehend aus Haushalten, Cloud-Infrastruktur und Backends
Systemarchitektur von BASE.V, bestehend aus Haushalten, Cloud-Infrastruktur und Backends. Grafik: Stefan Englberger

Für die Umsetzung des Projekts stattete Industriepartner Sonnen die Dietfurter Haushalte mit Photovoltaik-Anlagen, Batterien und Elektroautos sowie einer Ladestation aus. Über eine zentrale Peer-to-Peer-Handelsplattform konnten die Teilnehmenden Solarstrom kaufen und verkaufen.

Der Feldversuch bestätigte, dass wenige Haushalte ausreichend sind, um einen nachbarschaftlichen Energiehandel in Schwung zu bringen. Der gegenseitige Kauf und Verkauf von Strom kann bei wirtschaftlichem Anreiz Verbrauchsspitzen senken und Engpässe vermeiden, so dass die Netzstabilität bei intelligenter Steuerung profitiert. BASE.V könnte damit ein Modell sein, künftig schwankende Energieerzeugung und steigenden Stromverbrauch in Einklang zu bringen, ohne die Netzstabilität oder Versorgungssicherheit zu gefährden.

Die Netzstabilität wurde dabei von Bayernwerk Netz durch die dynamische Anpassung der Netzentgelte unterstützt. Die Steuerung folgte dabei dem Ampelmodell des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft bei Netzengpässen im Stromnetz. Bei Grün gibt es keinerlei Einschränkungen. Wer dann gerade zu viel Strom hat, kann ihn selbst verbrauchen, ins Netz einspeisen oder verkaufen. Bei Gelb droht ein Netzengpass, der durch hohe Einspeisung oder hohen Verbrauch entstehen kann. Bayernwerk Netz passte die Netzentgelte in der gelben Ampelphase dynamisch an, sodass rote Ampelphasen verringert werden konnten. Wirtschaftliche Anreize führten so zu mehr Netzstabilität. Die Flexibilität der stationären Stromspeicher und der Elektroautos spielte dabei eine wichtige Rolle. Bei Rot fand kein Markt statt. Der Verteilnetzbetreiber griff steuernd ein, um durch Redispatch 2.0 eine akute Netzüberlastung zu verhindern.

Einzigartig am Modellprojekt war das Ziel, lokale Strommärkte und aktives Engpassmanagement zu koppeln. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass sowohl Haushalte als auch der Netzbetreiber von dem smarten Energiemanagement profitieren. Dabei ermöglichten die Blockchain-Technologie und Kommunikationsprotokolle, Synergien in dezentralen Energiesystemen zu erkennen und zu nutzen. Im Konsortium brachte die TUM ihre Expertise im Bereich Energienetze und Energiespeicher ein, um ein smartes Energie-Managementsystem erfolgreich zu implementieren. Die Forscher:innen hatten zudem einen Energiemanagement-Algorithmus entwickelt, der die Ladestrategie der Speicher und der Elektroautos beeinflusste. Durch die Algorithmen für den Lokalstrommarkt und die dynamischen Preissignale konnten die Haushalte untereinander handeln und die Netzbelastung sowohl in Simulationen als auch im Demonstrator reduziert werden.

Industriepartner für das vom bayerischen Wirtschaftsministerium geförderte Forschungsprojekt waren Bayernwerk Netz GmbH und Moxa Europe GmbH. Die Haushalte handelten per „Smart Contracts“, die über ein vom Computer- und Kommunikationsspezialisten Moxa eingerichtetes Blockchain-Gateway abgewickelt wurden. Sonnen war als Unterauftragnehmer in dem Projekt maßgeblich beteiligt.

Ansprechpartner:
Lehrstuhl für Elektrische Energie­speicher­technik: Andreas Jossen, Holger Hesse, Stefan Englberger
Professur für Elektrische Energieversorgungsnetze: Rolf Witzmann, Tariq Almomani

Informationen zum Projekt