Interview: Cornelia Freund, Bilder: Qing Wan (Oriana)
ED: Was hat dich dazu bewegt, Architektur im Bachelor und Master an der TUM zu studieren?
Jessica Bielski: Für mein Abitur suchte ich mir einen Leistungskurs in Mathematik und ein Kolloquium in Kunst aus - das interessierte mich. Ich mag die Verbindung von Künstlerischem mit der Mathematik und kam so zur Architektur. Im Bachelor habe ich mitverfolgt, welche interessanten Projekte die Master-Studierenden realisieren. Das wollte ich auch und entschied mich schon früh für die Architekturinformatik. Meine Master-These beschäftigte sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) für den Architekturentwurf.
Auch im Rahmen deiner Promotion beschäftigst du dich mit KI in der Architekturplanung. Woran genau forschst du für deine Doktorarbeit?
Jessica Bielski: Erst vor kurzem habe ich wirklich reflektiert, dass der rote Faden in meinem Leben ist, dass ich anderen gerne dabei helfe, ihre Arbeit selbst und besser zu machen, Ermöglicherin zu sein. In meiner Promotion geht es darum, Architekt:innen und Planer:innen zu unterstützen. Sie sollen schnellere und bessere Entscheidungen in den frühen Entwurfsphasen treffen, weil die eine sehr hohe Relevanz haben. Was bekannt ist als Architekturqualität, beinhaltet auch wichtige Langzeitthemen wie Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz.
Wo stehst du mit deiner wissenschaftlichen Arbeit und welche Herausforderungen gibt es?
Jessica Bielski: Ich bin jetzt im ersten Jahr, habe das Exposé geschrieben und mich danach einschreiben lassen. Gerade befinde ich mich in der Phase, die inhärente Architektur-Methodologie nachvollziehbar zu machen und der KI zu helfen, sich richtig mit Architekt:innen zu verständigen. Oft ist ein Problem des maschinellen Lernens, dass der Prozess nicht klar wird, warum es zu diesem Output oder jenem Vorschlag kommt. Ich beschäftige mich mit der sogenannten Erklärbarkeit, versuche also das Output passend im Kontext und für die Person erklärbar zu machen. Im Moment arbeite ich an einem Framework, das zu einer Ontologie weiterentwickelt werden soll. Erste Versuche habe ich mit rekurrenten neuronalen Netzwerken gemacht. Mit Labels kann man ihnen Zeitsequenzen vorgeben, sie lernen lassen und damit Vorhersagen treffen.
Seit Oktober 2023 bist du gewählte Vertreterin der Promovierenden der TUM School of Engineering and Design. Für welche hochschulpolitischen Themen setzt du dich ein?
Jessica Bielski: Die Liste ist lang: Wir organisieren zum Beispiel Veranstaltungen und hatten zum Weltfrauentag Dr. Alina Gales mit einem Vortrag zu „Biases in Society and Science“ zu Gast. Wie gehe ich mit Unterschieden im Hinblick auf Forschungsergebnisse um, was Erklärungen, Kulturen, Geschlechter betrifft? Ein spannendes Thema, besonders wenn es um verantwortungsvolle KI geht.
In der Gremienarbeit repräsentiere ich uns Promovierende im School Council. Eins unserer Ziele ist, in der Betreuungsvereinbarung festzuhalten, wie viel von der Arbeitszeit von Haushaltsstellen tatsächlich für Dissertationen eingesetzt wird.
Du bist an der TUM School of Management als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Lehrstuhls für Entrepreneurship beschäftigt. An welcher Kreuzung deines Lebenswegs bist du zu dem Thema gekommen?
Jessica Bielski: Als Master-Studentin Architektur nahm ich am Think.Make.Start-Event teil und fand es großartig, etwas zu planen und hinterher in der Hand zu halten. Wenn es gut läuft, gelingt es, einen oder mehrere Prototypen in einem Durchlauf zu schaffen. Über den Weg habe ich auch Robotik und Automatisierung ausprobiert. Der Schwerpunkt des Projekts lag in der Biomedizin und kurioserweise haben wir für die Realisierung Ansatzpunkte aus der Innenarchitektur benutzt - schon hat alles irgendwie auch wieder zusammengefunden. Wir hatten damals sehr viel Spaß.
Erst habe ich als studentische Hilfskraft bei Think.Make.Start. gearbeitet, danach bin ich als Design Coach eingestiegen. Als jemand für das „Digital Prototyping“ gesucht wurde und ich in der Zeit Interaktionsprototypen machte, habe ich mich bei Prof. Holger Patzelt im Entrepreneurship Research Institute beworben. Jetzt gebe ich immer noch einmal im Jahr den Kurs „Digital Prototyping“ und es ist einfach faszinierend, wie junge Menschen Modelle gestalten. Ich habe schon einen alten ausgehöhlten Kaffeeautomaten gesehen und um ein Touchpad zu simulieren, haben die Studierenden einfach ein Handy reingesteckt und darauf diesen Interaktionsprototypen laufen lassen. Cool.
Du lebst Interdisziplinarität an der TUM?
Jessica Bielski: Ja, besser geht es nicht. Bereits im Master Architektur habe ich mit Baurobotik und Elektrotechnik zusammengearbeitet. In meinem Forschungsfeld Architekturinformatik - eigentlich ja eher Data Science – gab es beispielsweise eine Kooperation mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Für den Bachelor Ingenieurwissenschaften bin ich Ko-Dozentin für den Kurs „Entwicklung unternehmerischer Geschäftsideen“ an. Das alles sind Beispiele für die interdisziplinären Arbeitsgruppen, die mir ein exponentielles Wachstum für mein Wissen und meine Persönlichkeit gebracht haben – sehr wichtig und bereichernd.
Du hast den Angela Molitoris Diversity Award der TUM für deinen hervorragenden ehrenamtlichen Einsatz zur Unterstützung von schwerbehinderten Mitarbeitenden unserer Universität erhalten. Welche Herausforderungen in den Bereichen Chancengleichheit, Inklusion und Diversität siehst du?
Jessica Bielski: Ich habe selbst eine chronische Erkrankung und eine damit verbundene Schwerbehinderung, und vor der letzten Wahl fiel mir auf, dass jüngere Frauen aus dem wissenschaftlichen Bereich in der Schwerbehindertenvertretung der TUM unterrepräsentiert waren. Da dachte ich bei mir: Sei der Wandel, den du sehen möchtest. Und dann habe ich mich eben sowohl für den Wahlvorstand als auch für die Wahl aufstellen lassen und engagiere mich seitdem dafür, mehr für Inklusion zu tun. Wir sind ein super Team, haben immer ein offenes Ohr und helfen, wo wir können. Jede und jeder kann selbst etwas tun und ein bisschen rücksichtsvoller in die Welt reingehen.
Meine Mutter als auch meine Tante haben mich sehr geformt. Meine Mutter war Informatikerin. Sie hat mir das Interesse für die MINT-Fächer mitgegeben und mich in meiner Karriere bestärkt. Meine Tante hatte einen Autounfall, als ich fünf war, und war seither querschnittsgelähmt. Sie hat immer ihre Meinung gesagt und beispielsweise auch in der Stiftung Pfennigparade Vorträge gehalten. Ich habe noch eins ihrer Bilder, die sie mit dem Pinsel im Mund gemalt hat. Eins der Dinge, die ich von ihr gelernt habe, ist: Man kommt immer an sein Ziel, egal wie viele Steine im Weg liegen. Man braucht vielleicht länger und muss einen kleinen Umweg machen, aber man kann es schaffen. Das Thema Inklusion war für mich einfach normal. Und das ist auch, was ich anderen mitgeben will.
Links:
Lehrstuhl für Architekturinformatik
Architektur B. A.
Architektur M. A.
Promotion an der TUM School of Engineering and Design
Think.Make.Start.
Entrepreneurship Research Institute