Katharina Anders (*1990) studierte an der Universität Heidelberg Geographie mit Informatik und Umweltphysik. Sie promovierte in Geoinformatik (mit Auszeichnung) am Geographischen Institut und Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg mit Forschungsaufenthalt an der TU Delft. 2023 folgte sie dem Ruf an die TUM als Professorin für Fernerkundungsanwendungen.
Sie forscht zur Analyse von Fernerkundungsdaten, um Informationen und wissenschaftliche Erkenntnisse über Prozesse an der Erdoberfläche zu gewinnen. Ihr Fokus liegt auf der skalenübergreifenden Beobachtung topographischer Landschaftsdynamik im Kontext von Naturgefahren, Klimawandelfolgen und Mensch-Umwelt-Interaktion. Ein wichtiges Ziel ist die Operationalisierung der automatischen 4D-Beobachtung (3D-Raum und Zeit) für verschiedene Anwendungsfälle des Geo- und Umweltmonitorings.
ED: Wie sind Sie zu der geworden, die Sie sind?
Katharina Anders: In meiner Schulzeit habe ich mich – eher durch Zufall – für Erdkunde als Leistungsfach entschieden, weil Geschichte und Latein nicht zustande kamen. Wie formt sich die Erde? Welche Prozesse bilden unsere Landschaften? Vor allem die Geomorphologie von Hochgebirgen fand ich sehr spannend, und schließlich führte das Interesse für Geografie zum Studium. Im methodischen Bereich habe ich mich in der Geoinformatik spezialisiert: Wie können wir Geodaten möglichst präzise erfassen, die unsere Erdoberfläche beschreiben? Mit welchen automatischen Methoden, etwa Künstlicher Intelligenz, lassen sich diese Daten auswerten? So bin ich als Geografin in den Arbeitsbereich der Geodäsie gekommen, um diese Methoden anzuwenden, etwa um Naturgefahren beobachten oder Klimawandelfolgen messen zu können. Es folgten Master, Promotion, Postdoc an der Uni Heidelberg – und die Ausschreibung an der TUM für diese Tenure-Track-Professur für Fernerkundungsanwendungen, die mich richtig angesprochen hat.
Was hat Sie am Thema besonders interessiert?
Geomorphologie, die Gestaltung der Erdoberfläche, hat mich natürlich immens interessiert, Gletscher, Wüsten und Flusslandschaften. Es war die beste Vorlesung, die ich hatte. Und dann finde ich das Methodische faszinierend, etwa Laserscanning. Wir können 3D-Daten dieser Landschaften aufnehmen, beschreiben, messen und Modelle ableiten.
Was wird Ihr erstes Forschungsprojekt an der TUM?
Die DFG hat eben ein Projekt bewilligt, dessen Antrag ich noch in Heidelberg geschrieben habe und das in Kooperation mit der Uni Heidelberg realisiert wird. Ziel ist, mittels einer von uns entwickelten Methode automatisch 4D-Punktwolken, also Zeitserien dreidimensionaler Daten, auszuwerten. Während meines Forschungsaufenthalts an der TU Delft begannen wir dazu die Prozessierung tausender Punktwolken, die über Monate hinweg stündlich von einem Sandstrand an der niederländischen Küste per Laserscanning erfasst wurden.
Diese dichten Zeitserien beschreiben die Prozesse innerhalb einer Zeitspanne, z.B. wenn an einem Sandstrand auf kleinen Skalen permanent Wind transportiert wird, was bisher vor allem nicht flächig gemessen werden konnte. Das ermöglichen raumzeitliche 4D-Daten jetzt. Und da braucht es Methoden, um diese automatisch auszuwerten. Ziel ist, diese Informationen und Modelle etwa für Entscheidungsträger aufzubereiten, um Maßnahmen zu analysieren. Bringt es etwas, einen Deich zu bauen oder Sand aufzuschütten? Und wie beeinflussen diese wiederum die natürlichen Prozesse?
Neben Sandstränden lässt sich diese Methode auch auf alpine Hänge oder Schneedecken übertragen und mein Ziel liegt darin, die Datenanalyse weiter zu automatisieren und generalisierbar zu machen, sodass viele Menschen sie nutzen können. Ein weiterer spannender Aspekt, den ich verfolge, ist wie wir diese raumzeitlich detaillierten Daten mit großräumigeren und weniger häufigen Beobachtungen kombinieren können, beispielsweise Satellitenaufnahmen. So können wir vielleicht Erd-formende Prozesse vielleicht irgendwann über Skalen hinweg nachvollziehen.
Haben Sie einen speziellen Ansatz in der wissenschaftlichen Ausbildung?
An der Forschungsfront bilden wir für den Jobmarkt aus, aber eben auch akademischen Nachwuchs. Da möchte ich immer wieder klar machen, woran wir eigentlich arbeiten. Mir ist in der Lehre wichtig, Menschen für die Forschung zu begeistern und ein umfassendes Bild des Themas zu zeigen. Selbstverständlich gilt es, die Theorie zu lernen, und ich will eben auch mit den Studierenden rausgehen, Daten aufnehmen und sie selbst auswerten lassen. Ich hoffe, dass ich viele junge Menschen für unseren Themenbereich begeistern kann.
Auf welche Veränderung hoffen Sie in der Zukunft?
Open Science in der Forschung ist mir sehr wichtig. Fortschritt bedeutet für mich, Daten in der methodischen Arbeit der Geografie baldmöglichst zu veröffentlichen, damit auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese verwenden können. Auch Software, also die Methoden, die wir entwickeln, sollten verfügbar sein, sodass viele Menschen sie nutzen können. Dazu gehört auch eine Fehlerkultur, aber so kommen wir weiter.
Und persönlich hoffe ich, dass sich die Vereinbarkeit von Familie und akademischer Karriere weiter zum Positiven verändert. Als ich überlegte, eine Promotion zu starten, war das ein Thema für mich. Kann das überhaupt funktionieren oder bin ich irgendwann raus? Jetzt habe ich eine sechs Monate junge Tochter und es fühlt sich einfacher und normaler an als gedacht. Ich habe hier an der TUM gute Erfahrungen gemacht und werde gut unterstützt. Seit kurzem bin stellvertretende Frauenbeauftragte der TUM School of Engineering and Design. Das ist etwas, wo ich mich in Zukunft einbringen will.